Interview mit Paul Gummert, Geschäftsführer von GREENFIBER, der gemeinsam mit den Stadtwerken Wülfrath die ganze Stadt mit einem eigenen Glasfasernetz versorgen will.
Aktuell gibt es in Wülfrath noch Haushalte, die gerade einmal ISDN-Leitungen haben. Seit einigen Jahren arbeiten Bund, Land, Kommunen und freie Wirtschaft am Ausbau des schnellen Internets. Warum hinkt Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern hinterher?
Dafür müssen wir in die 1980er-Jahre zurück. Das Kabinett von Bundeskanzler Schmidt beschloss 1981 einen vollständigen Glasfaserausbau der damaligen Bundesrepublik. Aber nach dem Regierungswechsel 1982 auf Bundeskanzler Helmut Kohl wurde der Glasfaserausbau wieder kassiert. Stattdessen schwenkte man auf den Auf- und Ausbau eines Kupfernetzes. Das sollte dem Privatfernsehen den Weg in möglichst viele Haushalte ebnen. Die verschiedenen Kupfer-Varianten wie ISDN, DSL, Vectoring oder Kabel/COAX haben ihre Leistungsgrenze allerdings längst erreicht. Mit den sich rasant entwickelnden Möglichkeiten und Erfordernissen der Digitalisierung kann die kupferbasierte Datenübertragung schlichtweg nicht mehr Schritt halten – und zwar ganz sachlich durch die physikalischen Eigenschaften. Deswegen schlägt nun mit einigen Jahrzehnten Verspätung halt die Stunde der Glasfaser, auch wenn es angesichts Situation in den Nachbarländern längst 5 nach 12 Uhr bei der Breitbandversorgung ist.
Was macht den Unterschied zwischen Glasfaserinternet und herkömmlichen Kupferleitungen für einen normalen Vier-Personen-Haushalt aus?
Glasfaserinternet erfüllt die höchsten Ansprüche an Schnelligkeit, Stabilität und Sicherheit. Die von kupferbasierter Datenübertragung bekannten Leistungsabfälle und Störungen, v.a. in Zeiten, wo alle Haushaltsmitglieder und zusätzlich alle Nachbarn surfen, werden endgültig der Vergangenheit angehören. Home-Office, Home-Schooling, Online-Gaming, E-Business, Telemedizin oder auch der gemütliche Fernsehabend können problemlos parallel ausgeführt werden. Die Unterschiede werden besonders deutlich beim Upload, also beim Versenden von Datenpaketen, beispielsweise bei Videotelefonie. Und am Ende der Leistungsfähigkeit von Kupfernetzen fängt das Leistungsspektrum der Glasfaser an.
Aktuell bieten Sie die Glasfaser-Hausanschlüsse kostenlos an. Was zahlen Kund:innen, die sich erst nach dem Stichtag Mitte März entscheiden?
Die Kosten für die Errichtung eines Hausanschlusses werden bis zum 13. März 2022 in der Tat von den Stadtwerken Wülfrath und GREENFIBER komplett übernommen. Wer sich erst nach Ablauf dieser Frist und bis zum Ende der Bauzeit für einen Glasfaserhausanschluss entscheidet, muss einen Eigenbeitrag i.H.v. 500 Euro beisteuern. Gemessen an den realen Kosten, die bei 2.500 Euro aufwärts liegen, ist dies immer noch äußerst preiswert. Erst nach dem Ende der Bauphase werden Spätentschlossene dann die vollen, realen Kosten tragen müssen.
Welche Voraussetzungen muss mein Haushalt haben, um angeschlossen werden zu können?
Das Angebot ist buchstäblich flächendeckend und gilt für jeden einzelnen Haushalt in Wülfrath. Einzige Voraussetzung für einen Glasfaserhausanschluss ist der Abschluss mindestens eines Kundenvertrages. Die Gegebenheiten vor Ort prüfen wir vor den Baumaßnahmen bei einer gemeinsamen Begehung.
Gibt es auch klare Ausschlusskriterien für einen Netzanschluss?
Nein. Denn für das geplante Glasfasernetz wird eine komplett neue und eigenständige Infrastruktur errichtet. Ob das jeweilige Gebäude in der Innenstadt oder z.B. in Rohdenhausen oder Flandersbach steht, spielt keine Rolle. Wir kommen überall hin.
Sie vermarkten nicht nur den Glasfaser-Netzanschluss, sondern auch Internet-, Telefon und Fernsehprogramm-Anschlüsse. Was passiert, wenn ich aktuell noch an einen anderen Anbieter gebunden bin?
Den Kundinnen und Kunden entstehen weder Wechselstress noch doppelte Kosten. Denn um die Kündigung der Altverträge kümmern wir uns. Sobald der Altvertrag ausgelaufen ist, übernehmen wir die Versorgung. Es wird für die Kundinnen und Kunden also keine doppelten Kosten geben.
Wenn das Netz ausgebaut ist, geht es in kommunalen Besitz über. Was passiert dann mit GREENFIBER?
Wir haben eine sehr bewusste Standortentscheidung mit dem Engagement und dem Kooperationsprojekt mit den Stadtwerken Wülfrath getroffen. Unser Engagement ist langfristig ausgelegt. Wenn das Glasfasernetz ausgebaut und „aktiv“ ist, werden wir sowohl als Teil der Betreibergesellschaft als auch als Anbieter (Provider) dauerhaft ein fester Bestandteil der Infrastruktur von Wülfrath bleiben.
Was passiert, wenn in Wülfrath zum Stichtag 13. März 2022 weniger als die 30 Prozent der Haushalte und Gewerbetreibenden mitmachen?
Wir gehen fest davon aus, dass wir die Hürde gemeinsam nehmen. Wenn nicht, wäre das sehr schade. Denn dann ist der flächendeckende Ausbau wirtschaftlich nicht tragfähig. Einerseits entstünden für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Fall keinerlei Kosten, da die angegebenen Verträge dann schlichtweg nicht wirksam wären. Andererseits würde der unbefriedigende Zustand bei der Breitbandversorgung in Wülfrath dann auf unabsehbare Zeit eingefroren werden. Denn nur mit dem Gemeinschaftsprojekt kann der flächendeckende Aufbau eines Glasfasernetzes für ganz Wülfrath realisiert werden.