Burbacher Glasfasernetz: Doppelinterview mit Bürgermeister Christoph Ewers und GREENFIBER-Geschäftsführer Paul Gummert

Digitalisierung und Glasfaserausbau sind derzeit zwei Schlagworte, die in aller Munde sind. Nur eine Modeerscheinung oder warum sind das gerade für die Region und für die Gemeinde Burbach so wichtige Themen?

Bürgermeister Christoph Ewers: Das gesellschaftliche Leben findet bereits seit einigen Jahren nicht mehr ausschließlich in der physischen Welt statt. Kommunikation und soziale Begegnungen erfolgen inzwischen wie selbstverständlich im digitalen Raum. Darüber hinaus werden immer mehr Serviceleistungen und Dienste digital angeboten und abgewickelt, auch bei uns in der Verwaltung. Das Forschungsprojekt Data Health im Hickengrund hat gezeigt, dass Telemedizin, gerade im ländlichen Raum, schon bald ein elementarer Baustein ärztlicher Versorgung werden wird. Bei den Themen Smart Home, Smart City und dem Internet der Dinge stehen wir erst am Anfang der Entwicklung. Die Digitalisierung hat die Lebenswirklichkeit der Menschen längst durchdrungen. Wer nicht über die notwendige Infrastruktur verfügt, um von ihr im Alltag zu partizipieren, wird noch mehr als jetzt schon von Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens ausgeschlossen. Das ist nicht die Vision, die die Verwaltung und der Gemeinderat für Burbach haben! Mit dem Glasfasernetz Burbach werden wir digitale Teilhabe barriere- und diskriminierungsfrei ermöglichen und somit unseren Auftrag der Daseinsvorsorge nachhaltig ausweiten und erfüllen.

 

Gemeinsam mit der Gemeinde wollen Sie als Infrastrukturunternehmen nun den flächendeckenden Glasfaserausbau in Burbach angehen. Warum hinkt eine führende Industrienation bei diesem wichtigen Zukunftsthema so hinterher?

GREENFIBER-Geschäftsführer Paul Gummert: Dafür müssen wir in die 1980er-Jahre zurück. Das Kabinett von Bundeskanzler Schmidt beschloss 1981 einen vollständigen Glasfaserausbau der damaligen Bundesrepublik. Aber nach dem Regierungswechsel 1982 auf Bundeskanzler Helmut Kohl wurde der Glasfaserausbau wieder kassiert. Stattdessen schwenkte man auf den Auf- und Ausbau eines Kupfernetzes. Das sollte dem Privatfernsehen den Weg in möglichst viele Haushalte ebnen. Die verschiedenen Kupfer-Varianten wie ISDN, DSL, Vectoring oder Kabel/COAX haben ihre Leistungsgrenze allerdings längst erreicht. Mit den sich rasant entwickelnden Möglichkeiten und Erfordernissen der Digitalisierung kann die kupferbasierte Datenübertragung schlichtweg nicht mehr Schritt halten – und zwar ganz sachlich durch die physikalischen Eigenschaften. Deswegen schlägt nun mit einigen Jahrzehnten Verspätung halt die Stunde der Glasfaser, auch wenn es angesichts der Situation in den Nachbarländern längst 5 nach 12 Uhr bei der Breitbandversorgung ist.

In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Förderprogramme zum Glasfaserausbau aufgelegt. Auch im Kreis Siegen-Wittgenstein werden die besonders unterversorgten Gebiete nun ausgebaut. Wie ist Ihre Sicht auf diese staatlichen Initiativen?

Ewers: Die Bundesförderung zur Versorgung der „weißen Flecken“ ist gut und richtig – aber reicht nicht aus. Es ist nur schwer nachvollziehbar, warum Herr Müller einen kostenlosen Anschluss erhält und seine Nachbarin Frau Schmidt nicht. Unser Ziel ist es, ALLE Burbacherinnen und Burbacher, die dies wollen, zeitnah und günstig mit dem schnellstmöglichen Internet zu versorgen. Das Glasfasernetz Burbach ist daher vor allem auch ein soziales Netz; denn jeder der mitmacht sorgt dafür, dass wir die Infrastruktur für Zukunftstechnologie flächendeckend errichten können: für jeden Privathaushalt, für jeden Verein, für jedes Unternehmen und für jede Einrichtung. Bis zur letzten Milchkanne.

 

Welche Vorteile verbinden Sie mit einem Burbacher Glasfasernetz?

Ewers: Dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist, hat uns die Pandemie nachdrücklich vor Augen geführt. Ja, aufgrund der z.T. unzureichenden Infrastruktur und der bis dato oft fehlenden Medienkompetenz lief es mitunter ruckelig. Aber: Wir waren weiterhin handlungsfähig! Home Office und Home Schooling haben das Distanz-Arbeiten und -Lernen ermöglicht. Nun gilt es nachzubessern und nachzurüsten, um die technischen Unzulänglichkeiten zu beheben. Wer jetzt schnell ein leistungsfähiges, stabiles und sicheres Netz vorhält, schafft einen entscheidenden Standortvorteil und betreibt eine langfristige Standortsicherung: für die Wirtschaft, für die Bildung, aber auch für die medizinische Versorgung, das soziale Leben, die Kultur und den Tourismus.

Gummert: Glasfaserinternet erfüllt die höchsten Ansprüche an Schnelligkeit, Stabilität und Sicherheit. Die von kupferbasierter Datenübertragung bekannten Leistungsabfälle werden endgültig der Vergangenheit angehören. Die Unterschiede werden besonders deutlich beim Upload, also beim Versenden von Datenpaketen, beispielsweise bei Videotelefonie. Und am Ende der Leistungsfähigkeit von Kupfernetzen fängt das Leistungsspektrum der Glasfaser an. Mit dem glasfaserschnellen Netz ist Burbach dauerhaft gut versorgt. Lange vor den allermeisten ländlichen Regionen und vielen Großstädten hat Burbach dieses Zukunftsthema dann bereits erledigt.

Sie planen die Errichtung einer gemeinsamen Gesellschaft, die das Glasfasernetz betreibt. Dabei soll die Kommune die deutliche Mehrheit halten. Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile einer solchen Konstellation?

Ewers: Wie gesagt, ist das Glasfasernetz Teil der Grundversorgung. So wie es Gas, Wasser und Strom auch sind. Diese gehören in kommunale Hand. Zudem sind die Möglichkeiten des neuen Netzes noch lange nicht ausgeschöpft. Viele Zukunfts- und Entwicklungsthemen hängen am Glasfasernetz. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier vor Ort die Entscheidungen treffen können. Das macht uns unabhängig von den strategischen Überlegungen und finanziellen Interessen ferner Großkonzerne. Und die Einnahmen aus dem Netzbetrieb bleiben in Burbach. Das Glasfaserprojekt ist langfristig eine sehr sinnvolle Investition.

Gummert: Jeder Partner bringt seine Stärken ein. Wir haben die Erfahrung und das Know-how für die Errichtung und den Betrieb des Netzes. Der Ansatz eines kommunalen Netzes kann aber natürlich nur funktionieren, wenn die Gemeinde die deutliche Mehrheit hält. Wir sind in Burbach sehr gerne der Juniorpartner. Und natürlich sind gerade in diesen bewegten Zeiten die Konditionen einer langfristigen Finanzierung so deutlich günstiger. Das macht das ganze Projekt schneller rentabel.

Der Burbacher Weg eines flächendeckenden Glasfasernetzes in kommunaler Hand klingt ja plausibel und durchaus erstrebenswert. Warum realisieren nicht alle Kommunen solche Zukunftsprojekte?

Ewers: Die Rahmenbedingungen und Strukturen für und in den Städten und Gemeinden sind unterschiedlich. Während es für Telekommunikationsunternehmen interessant ist, in dichtbesiedelten Stadtgebieten oder in Gemeinden mit wenigen Ortsteilen, die noch dazu nahe beieinanderliegen, eigenwirtschaftlich Glasfaser bis ans Haus zu legen, sieht das in Flächengemeinden wie Burbach anders aus. Hier schrecken die langen Entfernungen zwischen den Dörfern Anbieter eher ab, einen Komplettausbau zu wagen. Das birgt die Gefahr eines Flickenteppichs aus versorgten und nicht- oder unterversorgten Bereichen mit parallelen und konkurrierenden Strukturen. Das ist nicht in unserem Sinn. In dem Joint Venture und der gemeinsamen Netzgesellschaft Breitband Burbach GmbH sehen wir die Chance, hier eine dauerhafte, wirtschaftliche, faire und unabhängige Lösung zu realisieren, die allen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt.

Bis zum 30. Juni rührte GREENFIBER die Werbetrommel. Warum war dieser Stichtag so wichtig?

Gummert: Das Gemeinschaftsprojekt soll sich langfristig rechnen. Daher gibt es eine Wirtschaftlichkeitsgrenze, die Fachleute für uns berechnet haben. Nur wenn sich mindestens 30% aller Haushalte für einen Glasfaseranschluss entscheiden, können wir das Netz für alle umsetzen. Die Kosten für die Errichtung eines Hausanschlusses werden in der Tat von den Projektpartnern komplett übernommen. Wer sich erst nach Ablauf dieser Frist und bis zum Ende der Ausbauzeit des Gesamtnetzes für einen Glasfaserhausanschluss entscheidet, muss einen Eigenbeitrag i.H.v. 500 Euro beisteuern. Gemessen an den realen Kosten, die erfahrungsgemäß bei 2.500 Euro aufwärts liegen, ist dies immer noch äußerst preiswert. Erst nach dem Ende der Bauphase werden Spätentschlossene dann die vollen, realen Kosten tragen müssen. Das Angebot ist buchstäblich flächendeckend und gilt für jeden einzelnen Haushalt in Burbach. Einzige Voraussetzung für einen Glasfaserhausanschluss ist der Abschluss mindestens eines Kundenvertrages. Die Gegebenheiten vor Ort prüfen wir vor den Baumaßnahmen bei einer gemeinsamen Begehung.